Interview mit Pfarrerin Eva Eiderbrant: «Familientreffen sind bei uns mit Tennis-Turnier»

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Seit wann wohnst du in Obfelden und wie ist es dazu gekommen?

Zuerst habe ich mich für eine 40%-Stelle als Pfarrerin in Obfelden beworben. Meine Stellenpartnerin wollte dann jedoch einen Urlaub machen, worauf ich angefragt wurde, ein 100% Pensum zu übernehmen. 2017 trat ich die Stelle in der Reformierten Kirche an. Zunächst war ein Vollzeitpensum grösser als ich mir vorgestellt hatte. Auch weil meine beiden Jungs aus erster Ehe Zeit beanspruchen, ich eine grosse Familie in Schweden habe und andere Projekte anstanden. Dann hatte ich aber das Gefühl, dass hier in Obfelden ein spannender Prozess eingeleitet wird, der mich interessierte. Deshalb entschloss ich mich, die Herausforderung anzunehmen.

Was kannst du uns über dein familiäres Umfeld und deine berufliche Tätigkeit sagen?

1999 bin ich in die Schweiz gekommen. 2015 lernte ich in Schweden meinen Mann Jan kennen, der in Schweden auch als Pfarrer tätig war. 2020 heirateten wir. Er liess sich frühpensionieren und übersiedelte nach Obfelden. Hier ist er zeitweise als Stellvertretung in der Schwedischen Kirche tätig und unterstützt mich bei meiner Tätigkeit in Obfelden.
Selber habe ich fünf Geschwister, während mein Vater sogar 10 Geschwister hatte. Die daraus erwachsene Grossfamilie trifft sich jeden Sommer in Schweden zum gemeinsamen Beisammensein. Auch das obligate Tennisturnier darf da niemals fehlen. Das allererste Familientreffen organisierten meine Grosseltern bereits vor 100 Jahren. Leider konnte das 100-Jahr-Jubiläum – Pandemie bedingt – letztes Jahr nicht stattfinden und wird dieses Jahr nachgeholt.

Welcher Partei liegt dir am nächsten?

Ich war aktiv in der Sozialdemokratischen Partei Schwedens und Stellvertreterin von Anna Lindh, die später 2003 leider ermordet wurde. Allerdings stellte ich nach und nach fest, dass sich die Politik zunehmend von der Basis entfernte. In einer Pfarrgemeinde fühlte ich mich mehr mit der Bevölkerung verbunden. Die Kirche ist meist die letzte Organisation, die sich in Krisen bis zum Schluss um Betroffene praktisch kümmert. Was mir in der Schweiz gefällt, ist, dass sich verschiedene Parteien zu einigen versuchen. In Schweden wird eine polarisierende Blockpolitik gelebt, entweder ist man rot oder blau.

Wie verbringst du deine Freizeit?

Gerne spiele ich Tennis, früher joggte ich öfter, bekam aber Probleme mit den Knien. Jetzt habe ich das Schwimmen entdeckt und besuche einen Crawl-Kurs. Freude habe ich auch am Lesen und Schreiben sowie praktischer Handarbeit. Auch malte ich Bilder, wozu ich vielleicht später wieder mehr Zeit finde. Neues interessiert mich allgemein. Gerne würde ich das Bass-Spielen lernen. Ein Sohn spielt Schlagzeug, der andere Gitarre so könnten wir mal eine Familienband gründen. Hat bis jetzt aber nicht geklappt.

Pfarrerin Eva Eiderbrant im Gespräch mit Impuls-Redaktor Peter Leemann

Wie hat der Corona-Lockdown auf dich gewirkt?

Am Anfang war ich wahnsinnig frustriert. Dann aber gewann ich das Gefühl genügend Zeit zu haben, für alle die Dinge, die wir machen und Zeit, diese auch gründlicher zu tun. Das langsame Tempo hat mir gutgetan. In dieser Zeit habe ich auch die Digitalität entdeckt. Ich habe gelernt Filme zu schneiden, wir haben einen YouTube-Kanal eröffnet, haben Unterrichtsmaterial digital z. B. für Konfirmanden erstellt. Das hat mir viel Spass bereitet. Demgegenüber fand ich die Polarisierung rund um’s Impfen und den Gesundheitsschutz der Bevölkerung schrecklich. Ich hätte nie gedacht, dass es soweit kommt. Nach Ausbruch des Ukrainekrieges dachte ich, dass wir nun erleben, was eine echte Diktatur ist.

Welche aktuellen Ereignisse oder Gesellschaftsthemen beschäftigen dich?

Durch meine Tätigkeit in der Notfall-Seelsorge, erlebe ich viele Sorgen in den Familien rund um die so genannte «toxische Männlichkeit». Auch der Klimawandel ist natürlich ein Problem, das mehr und mehr ins Zentrum rückt. Da haben wir bereits eine Gruppe gegründet, die sich aktiv mit dem Thema auseinandersetzt.

Hältst du das starke Bevölkerungswachstum der Gemeinde für Fluch oder Segen?

Es ist für mich schwierig das Wachstum für das ganze Dorf zu beurteilen bzw. was das für Auswirkungen in der Gemeinde hat. Die Kirche versucht die Neuzugezogenen durch eine Kontaktgruppe zu begrüssen, was sehr geschätzt wird. Allgemein habe ich nicht das Gefühl, dass das Wachstum so schnell ist, dass es Wachstumsschmerzen geben wird.

Was gefällt dir besonders in der Gemeinde Obfelden?

Mir gefällt die Offenheit auch für Neues und neue Projekte.

Fehlt dir etwas, das in Obfelden realisiert werden sollte oder am besten abgeschafft werden sollte?

Eine Drogerie fehlt noch… Aber bei den kurzen Distanzen hier ist das kein Problem. In Schweden muss ich mindestens 14 km fahren, um den nächsten Laden zu erreichen und das ist dann erst ein kleiner, für einen grösseren sind es dann schon 20 km.
In der Kirchgemeinde möchten mir mehr tun im Bereich Diakonie, vielleicht dazu Projekte starten. Was noch fehlt, ist ein öffentlicher Begegnungsraum, wo man vielleicht auch einen Kaffee trinken und sich ungezwungen treffen kann.

Steht in deiner Zukunft Neues oder Veränderungen?

2024 wird höchstwahrscheinlich mein Pensum reduziert. Das ist für mich ein Punkt zu überlegen, wie es dann weitergeht. Im Moment kann ich dazu nichts Konkretes sagen. Ich weiss auch nicht, wie die Entwicklung in der Kirche weiter geht. Jedenfalls werde ich 2029 pensioniert, sofern die Alterslimite bei 64 Jahren bleibt.

Hast du Anregungen zur Impuls-Gestaltung?

Ich finde gut, dass es das Heft gibt, ich sehe darin was so läuft und was für Leute im Dorf ausserhalb unserer Kirche aktiv sind.

Herzlichen Dank für dieses Interview, das in einer Co­Produktion gleichzeitig im Impuls und auf www.obfelden.info veröffentlicht wird.